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Alte und Neue Kolonie als "Innerer Ursprung" Limburgerhofs
Die „Neue Kolonie“ wurde vor einem Jahrhundert nach den Plänen des Münchner Professors Theodor Fischer (1862 – 1938) gebaut. Sie war Teil eines viel größeren Planes, der eine ganze Kleinstadt mit kompletter Infrastruktur umfassen sollte u. a. mit Gemeinschafts-haus (erst 1925 als „Feierabend-“, Gast- und Vereinshaus“ gebaut), Badehaus, Wirtshaus, Großbäckerei, vier Schulpavillons, Lehrerwohnungen, zwei Kirchen, Pfarrhäusern, Altersheim und Schwesternhaus. Wegen des Krieges und der Errichtung der „Versuchsstation“ im Jahr 1914, dem heutigen „Agrarzentrum“, wurde nur ein Teil dieser Planung verwirklicht.
Voraus gingen Planung und Bau der „Alten Kolonie“ nach Plänen des Baudirektors der BASF Eugen Haueisen (1845 – 1925). Dessen Lageplan aus dem Jahr 1900 zeigt, dass rasterartig 18 Parallelstraßen vom Böhlgraben bis zum Hungergraben geplant waren, sowie ebensolche Parallelstraßen jenseits der Speyerer Straße, ausgerichtet nach der 1901 fertiggestellten Neuhofener Straße.
Verwirklicht wurden jedoch nur 63 Doppelhäuser an der Brunck- und an der Sieglestraße. Sie orientierten sich in ihrer gartengestalterischen Offenheit sehr stark an den Gartensiedlungen Englands. Es zogen damals etwa achthundert Personen ein, was einer Familie von durchschnittlich sechs Personen entspricht.
Die Gründe für den Bau von Häusern für Werksangehörige der BASF sind mehrschichtig. Die aufstrebende und prosperierende BASF brauchte in wachsender Zahl Arbeiter mit höherer Qualifikation und geringerer Fluktuation. Aus den über sechstausend Arbeitern um 1900 sollten bald über zehntausend werden. Die Wohnungsnot in der noch jungen Stadt Ludwigshafen war groß, und eine Untersuchung durch das bayerische Innenministerium ergab, dass 80 % der Wohnungen in einem miserablen Zustand waren.
Nicht selten übernachteten mit Untermietern als „Schläfern“ acht oder neun Personen in kleinstem Raum. Außerdem sah man in der Konzentration von Arbeitern in der Stadt eine zunehmend ungünstige Entwicklung. Eine Folge war unter anderem die Planung der „Kolonie“ in Limburgerhof, die durch den vorhandenen Eisenbahnanschluss der „Ludwigsbahn“ begünstigt wurde. Die Planung von Haueisen sah etwa sechstausend Bewohner in der „Kolonie“ Limburgerhof vor.
Ein weiterer Grund war der Versuch, eine dem Werk treu verbundene Stammarbeiterschaft aufzubauen, die gegen die Strömungen der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften immun sei. Beispielsweise wurde erstmals 1908 für Mitarbeiter, die länger als 10 Jahre in der Firma waren, eine jährliche „Ausspannung“ in Form von einer Woche Urlaub gewährt. Zu den damals eingeführten „Wohlfahrtseinrichtungen“ gehörte auch der Werkswohnungsbau. Für die „Siedlung Limburgerhof“ wurden damals 6,6 Prozent der gesamten Kosten für die Wohlfahrtseinrichtungen der BASF aufgebracht.
Insbesondere der Vorstandsvorsitzende der BASF Heinrich von Brunck (1847-1911) machte sich dabei um den Aufbau einer betrieblichen Sozialpolitik verdient. Er sah die „Anilinfabrik“ als eine „große Familie“, die nicht nur durch gemeinsame Arbeit, sondern auch durch „gegenseitige Achtung und Vertrauen“ zusammengehalten werde.
Man gründete überdies einen werksnahen (damals sogenannten „gelben“) Arbeiterverein, dessen 1. Stiftungsfest mit über 6000 Teilnehmern in Limburgerhof gefeiert wurde.
Ein völliger Bruch mit den Plänen von Haueisen war die Weiterentwicklung der „Kolonie“ durch den Architekten Theodor Fischer. Fischer hatte wohl bereits nähere Verbindungen zur BASF, unter anderem mit dem aus Stuttgart stammenden Heinrich Siegle (1840 – 1905) aus seiner Stuttgarter Professorenzeit.
Die Beauftragung Fischers als dem damals renommiertesten Städteplaners Deutschlands für die Planung in Limburgerhof ist beachtlich und zeigt den von der BASF eingeräumten hohen städtebaulichen Anspruch dieses Vorhabens. Einer der bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts, Le Corbusier, schrieb 1932 an Theodor Fischer: „Ihr Werk war für mich eine Lehre.“
Theodor Fischer hatte eine völlig neue städteplanerische Philosophie. Er wandte sich gegen jegliche „Schablonenhaftigkeit“, gegen „strenge axiale Regularität und Symmetrie“, gegen „Schematismus“, gegen „orts- und geschichtsunabhängige Geradlinigkeit der Planungen“, gegen das „Linealsystem“.
Vielmehr wollte er „Architekturmotive aus der näheren Umgebung aufgreifen“ (wie beispielsweise die Bögen der Gebäude des damals noch vorhandenen „Gutshofs“, der leider in den 60er Jahren abgerissen wurde und einer modernen Wohnbebauung am Schlösschen weichen musste). Das Wohnen sollte laut Fischer als wesentlicher Faktor das gesamte Leben der Menschen „durchwirken“ mit dem Ziel der „Verbesserung und Verschönerung des Daseins“.
Demzufolge wollte er die „Kolonie“ in geschwungenen Straßenzügen fächerförmig nach Süden hin in Richtung Schifferstadt in lockerer Bebauung öffnen unter Beachtung des jahrhundertealten „Mannheimer Weges“ von Schifferstadt nach Mannheim, der heute noch als Weg durch den Park beim Schlösschen und als Birkenweg grob vorhanden ist. Organisch sollte eine gesamte Infrastruktur „im Geist der Freiheit und Ehrlichkeit und Anständigkeit“ entfaltet werden, in der „das Alte im Neuen erhalten“ werde.
Betrachtet man die in freundlichem Gelbton geplanten Häuser der Kolonie genauer, so bemerkt man in der relativen Einheitlichkeit auch die Verschiedenheiten in Gestaltung und Umfang der Reihenhaus-Ensembles. So wechseln sich zum Beispiel Krüppelwalmdächer mit steilen, leicht angeschleppten Giebeldächern oder auch die Formen der Dachgauben ab.
Alte Fotografien und Erzählungen lassen erahnen, wie würdevoll sich diese von Anmut und Erhabenheit getragene „Bogenarchitektur“ mit ihren Loggien und rundbögigen Laubenöffnungen auch von weitem ausnahm. Es gab ja ringsherum noch kaum Bebauung.
Etwas weiter weg waren der Gutshof und das Schlösschen, ansonsten Wiesen, Wald bis zur Kaiserallee und Getreidefelder bis zur Knospstraße. So war der Blick von allen Seiten frei auf dieses neue Stück Heimat.
Für die Lehrkräfte der „Privaten Volksschule der BASF im Schlösschen“ wurde eine aufwendig geplante Häuserzeile in der Parkstraße Nr. 4 bis 10 gebaut. Sie symbolisiert so wie die „Neue Kolonie“ insgesamt Fischers architektonische Philosophie, nämlich das „Rosenhaus“. Fischer ließ sich in seinen Planungen vom „Rosenhaus“ inspirieren, das Adalbert Stifter 1857 in seinem Roman „Der Nachsommer“ literarisch beschrieben hat.
Fischer schätzte diesen Roman Adalbert Stifters, der um die Jahrhundertwende ein Bestseller war. Seinen Studenten gab er dieses „Rosenhaus“, jenes von üppiger Rosenpracht umrankte oberösterreichische fiktive Anwesen, gerne als architektonische Entwurfsaufgabe auf. Dieses von Stifter literarisch entworfene „Rosenhaus“ wurde als „Urhütte der Moderne“, als „Irdisches Paradies“ bezeichnet. Als Vorbild einer bürgerlichen Idealwohn-kultur dienend gegen die „Kurzlebigkeit“ und gegen die „Geistesöde der aufkommenden Moderne“. „Gesundheit und Wohlbehagen“ sollten sich in der „glücklichen Ordnung der Dinge“ entwickeln können.
Die schmucken Häuser der „Alten und Neuen Kolonie“ stehen noch immer stolz und schön. So wie damals. Die „Neue und Alte Kolonie“ sind in ihrer Einzigartigkeit bei allem Wechsel der städtebaulichen Erweiterungen in Limburgerhof gleichsam die bleibenden stabilen inneren Wurzeln unserer Gemeinde. Sie stehen für Offenheit (man kann in die Gärten schauen), für gut nachbarschaftliches Zusammenleben, für unverwechselbare Identität, für soziale Nestwärme, für Individualität und Gemeinsamkeit.
Wer von außen kommt, findet vor allem in dieser „Kolonie“ ein entscheidendes, in dieser Gestaltung deutschlandweit einmaliges, Alleinstellungsmerkmal kultureller Bewahrung. Vielleicht ist es ganz wesentlich die in Architektur und Städtebau umgesetzte humane Utopie von Theodor Fischer, deren innere Gestaltungsdynamik sich bis heute in Limburgerhof entfaltet. Sie bringt offensichtlich eine anziehende Ausgewogenheit der sozialen Infrastruktur für unsere Bürger hervor, die immer wieder neue Möglichkeiten guten Lebens eröffnet.