Die Entstehung der Kirchenstraße


Als ich 1928 als 5-jährige an den Böhlgraben Nr. 12 zog, führte nur ein breiter Weg zu unserem Haus. Rechts des Böhlgrabens war bis zur Speyerer Straße, den Zuckerfabrikhäusern und dem Gaskessel das Gebäude der Anilin. Links, wo unser Doppelhaus steht bis zur Ökumenischen Sozialstation, gehörten die Äcker bis zur Bahnlinie den Mutterstadter Bauern. Seinerzeit standen nur 3 Häuser am Böhlgra ben, das waren die Wirtschaft „13 Linden“, das unsrige und das Spindlerhaus (das alte Haus der Sozialstation). Später baute noch die Fam Strauß und der blinde kath. Organist Tremmel aus Waldsee hin. Als dann die Arbeitslosenzeit begann, bauten acht auf Wartegeld gesetzte Anilinmeister die Flachbauten in Selbsthilfe uns gegenüber. Jedes Haus musste den gleichen Stil haben und jede Veränderung musste von der Anilin genehmigt werden, denn es war ja der Grund und Boden der Anilin. Vorher wurde das Gelände von den Anwohnern der Brunckstraße-Kolonie als Garten benutzt.

Über den Böhlgraben konnte man nur über die steinerne Brücke an den „13 Linden“, einem kleinen Holzsteg an der Ökumenischen So zialstation und der Speyerer Straße.

Als dann links und rechts vom Böhlgraben Privathäuser errichtet wurden, die meisten von der Baufirma Gebr. Müller, die auch das Gebäude von der Zuckerfabrik gekauft hatte, wurde der Böhlgraben kanalisiert. Daneben entstand eine Kanalisation, da früher alles den Böhlgraben floss, außer den Abwässern, dafür hatte man eine Jauchegrube, die im Frühjahr und Herbst entleert werden musste. So entstand nun die Böhlstraße.

Nach dem Tod von Pfarrer Jacob, der 1931 starb, kam Pfarrer Fink, der auch die Kath. Kirche baute. Etwas später bauten dann die evang. Christen ihr Gotteshaus mit Pfarrer Jung. Beide Pfarrer ver standen sich sehr gut, man kann sagen, es waren Freunde. Beide wohnten am Königsplatz (heute der Berliner Platz) in den Pfarrhäusern nebeneinander. Vor dem Kirchenbau wurde in der Simultankirche im Park, errichtet von der Anilin, Kirche gehalten.

In der Nazizeit wurde die Böhlstraße in Hindenburgstraße umgetauft. Also wohnte ich nun in der Hindenburgstraße 35.

Nach dem Tod von Pfarrer Fink, kam Pfarrer Rohr zu uns. Dieser baute sein Gemüse, Kartoffeln und vor allem Spargeln im Pfarrgarten an. Zum Pfarrhausbauen kam es bis heute nicht. Pfarrer Kraus kam aus Altrip. Er baute in den Pfarrgarten das neue Pfarrzentrum. Nach dem 2. Weltkrieg taufte man die Hindenburgstraße, wegen der Kirchen, in Kirchenstraße um. Jetzt wohnte ich in der Kirchenstraße 35 Da die Hindenburgstraße noch nicht asphaltiert war, hatten wir vorm Haus immer eine große Wasserpfütze. Sie reichte von unserem Garten bis zu den Flachbauten. Wenn die Leute zum Milchziegler wollten, gingen sie durch unseren Vorgarten, damit sie keine nassen Füße bekamen. Wir da oben nannten die Straße nur Schlammgasse Im groben Zügen habe ich nun die Entstehung der Kirchenstraße erzählt, in der ich noch heute wohne.