100 Jahre Kirchenmusik in St. Bonifatius


Der November ist ein besonderer Monat des Gedenkens. Schon mit seinen beiden ersten Tagen – Allerheiligen und Allerseelen – erinnert die katholische Kirche an Verstorbene sowie an deren erfülltes Leben und Wirken. So erinnern auch wir uns anlässlich der Jubiläen an die Protagonisten und die ihnen folgenden Generationen musikalischen Engagements in unserer Pfarrgemeinde.

Mann der ersten Stunde war August Tremmel, der seit 1922 die Kirchengemeinde am Harmonium und später an der Orgel begleitete. Er war es auch, der Sängerinnen und Sänger gewinnen konnte und im selben Jahr den Kirchenchor gründete. Seine Wirkungsstätte war zunächst die Simultankapelle im Park und nach Fertigstellung 1937 die katholische Kirche St. Bonifatius in Limburgerhof. Musikalisch schwierige Zeiten hatte er in den Kriegsjahren zu meistern, in denen der Chor auf weniger als eine handvoll Mitglieder geschrumpft war und zudem eine Brandbombe einen Teil der Orgel zerstört hatte. Dabei war diese gerade erst – im Jahre 1940 – auf der Empore der neuen Limburgerhofer Kirche eingebaut worden. Vorausgegangen waren intensive Verhandlungen des Ortspfarrers Dekan Finck mit dem Jesuitenpater Alfred Delp mit dem Ergebnis, dass die Orgel der Kapelle des Jesuitenkollegs Stella Matutina in Feldkirch, die dort ausgebaut werden musste, der jungen Pfarrgemeinde St. Bonifatius geschenkt wurde. Nach dem Brandbombenschaden reparierte August Tremmel in mühevoller Kleinarbeit bestmöglich das schwer beschädigte Pfeifenwerk, das so noch mehr als 30 Jahre – nämlich bis zum Einbau der neuen Orgel  im Jahre 1976 – in den Gottesdiensten, Vespern und Andachten erklingen und den Gemeindegesang begleiten konnte. Dabei kann das Wirken von August Tremmel gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, war er doch von Geburt aus blind. In diesem Zusammenhang verdient der Beistand durch seine Frau Luise Tremmel besondere Erwähnung und Anerkennung.

Nach dem Krieg gelang es August Tremmel gemeinsam mit Ernst Hutter den Kirchenchor neu aufzustellen und die Festgottesdienste der Gemeinde mit ansprechendem Gesang – besonders auch mit eigenen Kompositionen – zu bereichern. Beide Musiker waren bis in ihr hohes Alter Anfang der 70er Jahre aktiv. Unterstützung fanden beide in dem langjährigen Chorvorstand Cornelius Serr.

An der Orgelbank sorgte August Tremmel frühzeitig für Nachwuchs. Mit Fritz Schott gewann er einen treuen musikalischen Mitstreiter, der über nahezu 70 Jahre dem Orgelspiel verbunden war. Fritz Schott war es auch, der zusammen mit Kurt Schreiner insbesondere auf „intensiven Zuspruch“ durch Pfarrer Rohr und den Verwaltungsratsvorstand Wilhelm Tremmel einen Neubeginn des Kirchenchores zu Wege brachte. Kurt Schreiner als Chorleiter und Fritz Schott als Korrepetitor gelang es im Jahre 1972 mehr als 50 junge Sängerinnen und Sänger für Kirchenmusik mit überwiegend neuen geistlichen Liedern zu begeistern und fortan die musikalische Gestaltung der Festgottesdienste und kirchlichen Feierstunden zu bereichern. Auf Anregung ihres Dirigenten gaben sich die Sängerinnen und Sänger einen neuen Namen: Chorgemeinschaft St. Bonifatius. Zwei Jahre nach dem Chorneustart erweiterte Kurt Schreiner den Jugendchor um Tenor- und Bassstimmen, um vier- und mehrstimmige Chorsätze einstudieren zu können. Ein besonderer Höhepunkt war die Mitgestaltung der Einweihung der neuen Orgel im Jahre 1976 mit dem damaligen Domorganisten Leo Krämer.

Weitere Highlights waren Chorwallfahrten nach Lourdes in den Jahren 1978 und 1981.

Großen musikalischen Herausforderungen stellten sich die Sängerinnen und Sänger bei dem Kooperationsprojekt „Krönungsmesse“ von W. A. Mozart mit dem Mingolsheimer Kirchenchor sowie den Fest- und Gedenkgottesdiensten anlässlich der Kirchenrenovierung, dem 50. Weihetag der Kirche und dem 100. Geburtstag von Dekan Finck. In diesem Gottesdienst waren die geistigen Weg-gefährten des Dekans – der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl und der erst kürzlich verstorbene Dekan Monsignore Ramstetter als Zelebrant – anwesend.

In den 60er Jahren hatte August Tremmel sich um weiteren Nachwuchs im Orgeldienst bemüht und seine Schüler, Peter Kern, Erhard Heffner und Ansgar Schreiner an ihre neuen Aufgaben herangeführt. In den 70er Jahren wurden Fritz Schott und Ansgar Schreiner insbesondere bei den Werktagsgottesdiensten unterstützt durch Käthe Cappel und Richard Funk. In den 80er Jahren gab es weiteren Organistenzuwachs mit Joachim Heyne, Thomas und Joachim Wies, Schwester Maria Wunderlin sowie Max Kempf.

Veränderungen brachten die 90er Jahre. Mit Beginn der neuen Dekade übergab Kurt Schreiner den Dirigentenstab an seinen Sohn Ansgar Schreiner, der im Chor schon seit 1973 als Korrepetitor und zweiter Chorleiter fungierte. Im Rahmen dieses Wechsels vollzog sich auch eine Organisationsänderung. Der Chor wählte einen neuen Vorstand, Schriftführer und Kassenwart, Aufgaben, die Kurt Schreiner zuvor in Personalunion wahrgenommen hatte. Während fortan Hugo Spaniol sich um die Logistik kümmerte, widmete sich Ansgar Schreiner ausschließlich den neuen musikalischen Herausforderungen. Kompositionen aus der Wiener Klassik wie Mozart, Haydn und Beethoven, Romantik wie Schubert und Mendelssohn-Bartholdy, bis hin zur Moderne wie dem Weihnachtskrippenspiel von Carl Orff standen auf dem Probenplan. Zur Höchstleistung war der Chor gefordert mit der Cäcilienmesse von Charles Gounod, die 1997 anlässlich des 75-jährigen Chorjubiläums in Kooperation mit dem BASF-Orchester erklang.

Zwei tiefgreifende Zäsuren hatte der Chor in den 90er Jahren mitzuerleben und mitzugestalten: Tod und Requien der Ortsgeistlichen Pfarrer Rohr (1992) und Pfarrer Kraus (1999).

Nach der Jahrtausendwende erweiterte Ansgar Schreiner das Chorrepertoire mit Musicalmelodien aus My fair Lady, Starlight-Express, Cats, Phantom der Oper, Les Miserables und Evita. Aber auch bei der geistlichen Musik gab es Neueinstudierungen: zum 80-jährigen Jubiläum (2002) Chöre aus den Oratorien „Messias“ von G. F. Händel und der „Schöpfung“ von J. Haydn. Weiter standen auf dem Programm die zeitgenössische Komposition des Leiters des BASF-Orchesters E. Prappacher „Weihe der Nacht“ und schließlich die Klavierfantasie von L. v. Beethoven mit Eva Genari als professionell aufspielende Klaviersolistin.

In den Folgejahren schlossen sich Aufführungen von Musicals mit biblischem Inhalt wie „Hoffnungsland“, „Babylon“, „Emmaus“ und „Santiago“ an.

Diese musikalischen Herausforderungen konnten nur gelingen durch das große Engagement der Chorvorstände Hugo Spaniol, Edgar Werner, Siegfried Isenhuth, Wolfgang Lehnert, Annelie Schüle und Sabine Streun: Chorseminare in Maria Rosenberg, Heiligenstadt, Isny, Cochem u. a. sowie Konzertfahrten nach München, Salzburg, Prag und Amsterdam.

Nach 25 Jahren Chorleitung überließ Ansgar Schreiner den Platz am Dirigentenpult der Chorgemeinschaft Bernhard Schlichter, der dem Chor seit 2015 als musikalischer Leiter vorsteht und gemeinsam mit Sabine Streun als Vorsitzende, den Chormitgliedern und den Projektsängerinnen und -sängern im Jubiläumskonzert am 9. Oktober das 100-jährige Bestehen feiern durfte. Dass dies gelingen und mit großem Beifall aufgenommen werden konnte, verdient hohe Anerkennung, zumal Corona gerade im kirchenmusikalischen Bereich großen Schaden angerichtet und viel Chorarbeit zum Erliegen gebracht hat. Unser Chor jedoch hat diesen Einschnitt bravourös überwunden.

Der Chor erachtete gerade die Nachwuchsförderung schon immer als besondere Aufgabe. Hier sind besonders zu erwähnen die Harfenistin Bernadette Schreiner, der Hornist und Perkussionist Dominik Schreiner, die bereits erwähnte Pianistin Eva Genari und die im Jubiläumskonzert am 9. Oktober 22 virtuos aufspielende Bratschistin Anna-Lisa Wies.

Ebenso wie bei der Chormusik gab es bei den Organisten zahlreiche Veränderungen. Martin Kipper, Silke Köppl und Dirk Schneider reihten sich in das Organistenteam Fritz Schott und Ansgar Schreiner ein. Zeitweise ergänzten Dagmar Sold und Katja Tremmel das „Quintett“. Mit Johannes Malpricht hat sich ein Nachwuchsorganist hinzugesellt.

Ein Bericht zum 100-jährigen Jubiläum wäre nicht komplett, würden nicht auch die in St. Bonifatius engagierten Instrumentalgruppen erwähnt. Ernst Hutter hatte nach dem Krieg den über Jahrzehnte in der Pfarrei aktiven Posauenchor gegründet. Nachfolgedirigenten waren Hans Winkler und Andreas Schumacher. Vielen ist das Ensemble noch als steter Begleiter der Fronleichnamsprozessionen in Erinnerung. In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass die musikalische Begleitung der Fronleichnamsprozession in den Folgejahren im Geiste gelebter Ökumene vom evangelischen Posaunenchor übernommen wurde. Dieser hat über viele Jahre hinweg auch Adventsgottesdienste mitgestaltet.

Der bereits vielfach erwähnte August Tremmel kümmerte sich gemeinsam mit seiner Nachbarin Frau Wilhelmine Tremmel mit ebensoviel Engagement wie um Orgel und Chor um Flöten- und Saitenspielgruppen, die zu festlichen Feierstunden aufspielten. Ab 1990 bereicherten das Flötenensemble von Dr. Monika Deck und sie selbst als Solistin die Gemeindegottesdienste.

Die Jugendband „sacro proppa“ unter der Leitung von Wendelin Magin und Eva Grißmer sorgte für frischen Schwung in den Gemeindegottesdiensten und brachte sich insbesondere in Jugend-, Erstkommunion- und Firmgottesdienste mit neuem geistlichem Liedgut ein; ebenso auch die Gitarristin Anette Martin.

Seit mehr als einem Jahrzehnt unterstützt Hiltrud Wies mit Ihrem je nach Bedarf um Blasinstrumente erweiterten Streichorchester der Musikschule Rhein-Pfalz-Kreis in Gottesdiensten und Konzerten den Chor – so auch beim Jubiläumskonzert Anfang Oktober 2022.

Als Besonderheit in der Vorweihnachtszeit hat sich mit der musikalischen Gestaltung von Adventsgottesdiensten die Kurpfälzer Stubenmusik unter der Leitung von Hildegard Schreiner etabliert.

Nach der Jahrtausendwende formierten sich aus der Chorgemeinschaft heraus weitere Gesangsensembles, die das musikalische Spektrum zeitlich und inhaltlich erweiterten.

In der Zeit von 2002  -  2012 begeisterte der Gospelchor black & white mit afrikanischen und amerikanischen Rhythmen in vielen Gottesdiensten und Konzerten. Nahezu alle Auftritte waren als Benefizveranstaltungen organisiert mit Gesamtspendeneinnahmen im hohen 5-stelligen Bereich.

Pilgerradtouren des Ehepaares Schreiner nach Lourdes und Santiago de Compostela führten beide zum Kloster Sobrado dos monxes in Spanien. Die Ausstrahlung, die von diesem Kloster ausging und das beeindruckende sakrale Klangbild der Kathedrale inspirierten beide zur Gründung eines gleichnamigen Vocalensembles für Männerstimmen mit Sopran. So konnten Melodien aus der Anfangszeit christlicher Musik erarbeitet werden: die Gregorianik. Dem in der Gruppe aufkommenden Wunsch nach Einstudierung frühzeitlicher mehrstimmiger Chorliteratur wurde mit einer Erweiterung der Frauenstimmen entsprochen. So entstand das Vocalensemble Alpha & Omega, dessen Name Programm ist: Kompositionen von den Anfängen bis in die Gegenwart, von Nord nach Süd und Ost nach West.

Im Jubiläumsjahr bringt sich das Ensemble ein mit der Gestaltung des Gottesdienstes zum Allerheiligenfest, zu dem Sie herzlich eingeladen sind:

Vorabendgottesdienst am Montag, 31. 10. 2022, 19.00 Uhr.

Die Kompositionen sind ausgerichtet auf das Thema, das das Jahr 2022 von Anfang an beherrscht: Frieden.

Eingeladen sind Sie auch zu Benefizkonzerten des Ensembles im November:

-      Samstag, 05. 11. 2022, 19.30 Uhr, Kulturkapelle Limburgerhof

-      Sonntag, 13. 11. 2022, 17.00 Uhr, Martin-Luther-Kirche, Neustadt /Wstr.

Begleitet wird das Vocalensemble von Hanna Pyo, Master of Music Klavier-Musikhochschule Mannheim, Korrepetitiorin mit Dirigierverplichtung am Theater und Orchester Heidelberg.